Gleiskolumne № 6

Zwischenbilanz zum 49-Euro-Ticket


Vier Monate Deutschlandticket – oder 196 Euro später: Lohnt es sich überhaupt? Ich kenne einige, die sofort Ja schreien würden. Aber auch viele, bei denen es nicht der Fall ist. Wie sieht das bei mir selber aus. Eine kleine Zwischenbilanz.

Ich habe eben noch einmal nachgezählt und komme auf etwa 30 Orte, die ich seit dem 1. Mai mit dem 49-Euro-Ticket bereist habe. Einige etwas bewusster, bei anderen war es nur ein kleiner Zwischenstopp. Denn ob sich das Ticket lohnt, kann ich allein schon wegen der grenzenlosen Freiheit und Spontanität mit Ja beantworten.

Es hat sich so schnell in meinen Alltag integriert, dass ich mir kaum vorstellen kann, wie es davor war. Eben mal mit der S-Bahn zwei Stationen zum besseren Supermarkt fahren, als den um die Ecke? Kein Problem. Ein Spontan-Trip nach... ach egal, erstmal in den RE einsteigen und dann entscheiden. Auch diesen Moment gab es schon mal. Am Ende kam ich in Heilbronn an. Aber natürlich sind da auch Strecken gewesen, die sein mussten. Zum Flughafen oder in die alte Heimat.

Obwohl ich mich immer noch nicht mit dem offiziellen Namen Deutschlandticket anfreunden kann, habe ich es mal wörtlich genommen und bin tatsächlich durch fast ganz Deutschland gereist. Durch elf Bundesländer (na gut eigentlich zehn, im Saarland bin ich nicht ausgestiegen). Und Bayern, Thüringen, Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern kommen sicher auch noch bald.

Ob spontan oder geplant, diese Orte habe ich mit dem Deutschlandticket in den letzten vier Monaten bereist:


Die schlimmsten
Strecken


Dass bei der Bahn vieles schief läuft – gerade in der Planung – ist nichts Neues. Die Schuld schiebt man sich dann einfach hin und her.


RE70 Frankfurt(Main) Hbf – Mannheim Hbf

Statt den gewohnten vier Doppelstock-Wagen, setzt die DB nun eine einfache S-Bahn ein (ja wirklich nur einen einzigen Zugteil davon). Auf Nachfrage antwortet mir DB Regio Hessen/S-Bahn Rhein-Main: "Grund dafür sind Engpässe bei den Materialien zur Fahrzeuginstandhaltung." Daher werden also weiterhin bis ins Jahr 2024 noch mickrige S-Bahnen als Ersatzfahrzeuge vollgestopft. Eine kleine Schweigeminute für alle, die auf diese Verbindung angewiesen sind.


RE13 Magdeburg Hbf – Leipzig Hbf

Auch hier war der Zug so voll, dass ich gezwungenerweise in Magdeburg zurückbleiben musste. Am Service Point erklärte mir der Mitarbeiter, dass der Zug nach Leipzig immer überfüllt sei und beim nächsten wird es wahrscheinlich nicht besser aussehen. Ich beschloss eine andere Verbindung zu wählen, mit Umstieg und Weiterfahrt in einer S-Bahn. Das Überraschende: Egal ob RE, RB oder S-Bahn, hier kommt immer der gleiche Zug zum Einsatz. Hallelujah.


RE4 Halle(Saale) Hbf – Goslar

Einmal Reisen wie ein Kartoffelsack im Frachter. Auf irgendeiner dreckigen Stufe sitzen, zwischen behaarten Beinen, Schweißgeruch und Kindergeschrei. Es wird viel abverlangt auf dieser Route. Ein Blick auf den Betreiber: Abellio. Nachdem dieses Unternehmen endlich aus NRW & Baden-Württemberg verschwand, treibt es immer noch sein Unwesen in Mitteldeutschland. Trotz Insolvenz müssen sie noch bis Ende 2024 ihre Strecken bedienen. Kein Wunder, dass dort nur einfache Züge im Einsatz sind. Und viele auch noch ausfallen.

Was muss sich
dringend ändern?


Ich bin da nicht so im Wirtschaftsgame der Verkehrsunternehmen drin, aber irgendetwas in mir sagt, sie würden jetzt in Zeiten des 49-Euro-Tickets viel mehr Umsatz mit Einzelfahrkarten machen, wenn diese bezahlbar wären. Viele kleine Euros ergeben schließlich auch ein Vermögen. Und ja, die Menschen gibt es noch, die sich Einzeltickets kaufen. Wenn die Preise für eine Einzelfahrt aber ins Unermessliche steigen, dann holt man all diese 49-Euro-Ticket-Verweigerer auch nicht mehr ins Boot bzw. in den Zug.

Der DB Navigator sollte sich mal an das Deutschlandticket anpassen. Selbst vier Monate nach Einführung schlägt er mir Verbindungen für 115,10 Euro vor. Im Nahverkehr. Grund: Wer vor 9 Uhr seine Reise starten will, muss ordentlich blechen. Auch da sollte man mit der Zeit gehen und diese Leute abholen. Mit mehr verkauften Einzeltickets hat man schließlich mehr Einnahmen, als einen Dummen zu suchen, der diesen Betrag zahlt.

Eine kleinere Erleichterung wäre außerdem, wenn die DB-App hinter den Verbindungen nicht nur die fette Summe anzeigen würde, sondern ob diese Strecke mit dem 49-Euro-Ticket machbar ist. Das würde dann auch mehr Leute animieren, sich das Ticket zu holen und mir würde das in den Grenzregionen helfen. Immerhin darf man zum Beispiel mit dem Bus nach Nijmegen, aber nicht mit dem Zug. Da könnte man beispielweise eine Funktion einführen "Nur Verbindungen mit dem Deutschlandticket anzeigen". Voilà.


Ich bin gespannt, wohin die Reise noch im wahrsten Sinne des Wortes geht. Und ob sich das Ticket auch noch in den nächsten Monaten für mich lohnen wird. Stay tuned.


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