Gleiskolumne № 3

Das Bahn-Trauma


Als alteingesessener Bahnfahrer bin ich schon einiges gewohnt. Zwölf Stunden für zwei Bundesländer war mein bisheriger Rekord der Geduld. In diesem Land sind so viele Schienen verlegt, dass scheinbar immer der Knoten drin ist und nie eine sinnvolle Umleitungsstrecke zur Verfügung steht.

Der erste Schnee: Zack, stehste da stundenlang herum, bis die Info kommt, dass der Zug einfach wieder zurück fährt. Hä? Zurück? Dann hätt' ich mir gleich den Aufwand sparen können. Und von diesem "Der Zug endet wegen einer Verspätung vorzeitig irgendwo an einem Dorfbahnhof" gab es in letzter Zeit genug auf meiner Teilstrecke von Düsseldorf nach Koblenz.

Letzten Monat habe ich gesehen, wie eine Zugfahrt reibungslos verlaufen kann. Okay, es war der französische TGV. Von Paris nach Kaiserslautern sind es etwa 400 Kilometer und die schafft er in sage und schreibe 148 Minuten. Also zwei Stunden und 28 Minuten. Etwa die gleiche Distanz von Bielefeld nach Dresden dauerte nun weit über sieben Stunden. Und ja, es fühlte sich an einigen Stellen an, wie in einem Entwicklungsland. Ab und zu dachte ich, es müssen vorne noch Schienen verlegt werden, damit der Zug weiterfahren kann. Es war eine Berg- und Talfahrt auf der Streckenkarte.


Ein Sonnenblumenfeld irgendwo in Sachsen-Anhalt, zwischen Stendal und Magdeburg. Auch hier tuckelt der Fernverkehr auf seinem Umweg entlag.

Den Weg zum Ziel muss man erst finden

Von Hannover ging es erstmal nördlich über Stendal – also komplett andere Richtung – nach Leipzig. Dort setzte der Zug dann nach über einer Stunde Beratungszeit seine Fahrt fort – nach Brandenburg. Über Gleise, die vermutlich nicht mal für den Fernverkehr ausgelegt waren. Und Brandenburg ist auch nicht die Richtung nach Dresden. Irgendwann kam natürlich das vorzeitige Ende in Dresden-Neustadt. Immerhin hat er es in die Stadt geschafft.

Noch in der selben Woche hatte ich dann meine Elf-Stunden-Fahrt von Bielefeld nach Kaiserslautern. Wenn man es denn Fahrt nennen kann, denn die meiste Zeit davon stand der Zug. Mitten in Köln. Weil Karneval so plötzlich kam und die Bahngleise rund um die Station Köln Süd nicht gesichert waren. Der Fahrgastbetreuer öffnete irgendwann die kleinen Fenster, man durfte die Masken absetzen. Einige gingen ihrer Sucht nach und rauchten im Zug. Die Türen durften trotz vorhandenem Bahnsteig nicht geöffnet werden.

Auch das ist eigentlich keine Weltreise gewesen, sondern nur eine Distanz von – surprise – 400 Kilometern. Man braucht einen langen Geduldsfaden, wenn man in einen deutschen Zug einsteigt. Und natürlich auch jede Menge Zeit. Ich rege mich gar nicht erst auf und betrachte das Ganze mit Humor. Am Ende wäre ich wohl schneller in New York gewesen, als im Nachbarbundesland. Ich brauche jetzt dringend eine lange Bahnpause.


Kaiserslautern Hauptbahnhof.
Vier Stunden später als geplant. In Rheinland-Pfalz lief diesmal alles rund, nur in NRW gab es wieder einen Totalausfall.


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