Gleiskolumne № 2

Hier kommst du nicht rein


Es ist ein Running Gag und gefühlt jeder ärgert sich über die Bahn. Oder belächelt sie zumindest. Berechtigterweise auch. Manchmal stehe ich am Gleis und denke, die Bahn will es so. Sie will nicht, dass alle Reisenden zufrieden ans Ziel kommen.

Dass es mal Störungen gibt, akzeptiere ich. Kann überall mal kurz passieren. Wenn aber ein erhöhtes Fahrgastaufkommen schon vorhergesehen wird und dann nur eine Traktion einfährt, hat die Bahn versagt. Zumal oft genügend Zeit ist, sich der Situation anzupassen. Nur die Kommunikation scheint noch ein großes Problem zu sein. Eine Doppeltraktion ist kein Wunschdenken. Es gibt sie und sie fährt auch. Nur oft nicht dann, wenn sie gebraucht wird.

Würde die Bahn also erstmal auf ihre Fahrgäste gucken und reagieren, ständen schon längst mehr Züge bereit. Und die braucht es dringend. Die hat es schon vor dem 9-Euro-Ticket gebraucht. Denn auch da waren die Züge schon voll. Ich erinnere mich an die Samstage in Mannheim, an denen wir auf Gleis 1 standen und nicht alle Menschen in den RE1 reinpassten. Für die Bahn ist der Samstag scheinbar kein Tag, an dem viele Menschen unterwegs sind. Sie schickt ihre Doppeltraktion lieber unter der Woche um 12 Uhr mittags los. Dann, wenn der ganze Waggon nicht einmal zur Hälfte gefüllt ist.

Auch das war vor dem 9-Euro-Ticket. Wie es mittlerweile aussieht, weiß ich nicht. Die letzten beiden Male stande ich donnerstags um 10:30 Uhr am Bahnsteig in Kaiserslautern und wollte mit der besagten RE1 nach Mannheim fahren. Ich kam nicht in den Zug, weil er so voll war, dass alle Wartenden zurückbleiben mussten. Sie wurden auf die S-Bahn vertröstet, die etwas später losfährt und länger braucht und natürlich keine Klimaanlage hat. Ich habe meine Reise dann aus Zeitmangel gar nicht erst angetreten.


Wie es auch gehen kann: Der RRX (von National Express) hat längere Züge (Doppelstockwagen) und fährt fast ausschließlich in Doppeltraktion.

Das Ticket
bringt Menschen
zusammen

Eigentlich wollte ich auf meiner Website in den drei Monaten eine Kolumne über das 9-Euro-Ticket schreiben und welche Städte ich damit bereise. Eigentlich. Denn ich habe die Rechnung ohne der Bahn gemacht. Dass der Ansturm so groß ist, freut mich enorm. Denn was würde passieren, wenn sich kaum einer das Ticket gekauft hätte – wahrscheinlich nichts. Es wird wieder überteuert und man bekommt als Dank auch noch die teuflischen Tarifgrenzen zurück, die kein Mensch verstehen kann.

Also: Danke, dass ihr euch in die Züge presst, so viel Geduld mitbringt und auch mal stundenlang im Gang steht und bei den sommerlichen Temperaturen tropft. Nicht nur das Virus freut sich. Ich habe ein wenig Hoffnung, dass der Einsatz nicht umsonst ist und wir nach dem Testsommer ein akzeptables Angebot bekommen, auch weiterhin reisen zu können.

Es ist der erste Sommer, in dem ich jeden in meinem Freundeskreis fragen kann, ob er mit will. Unabhängig davon, ob er ein Semesterticket besitzt. Wir müssen nicht erst nach einem passenden Ticket suchen und am Ende feststellen, dass die Hin- und Rückfahrt dann doch zu teurer wird und unsere Pläne wieder über Bord werfen. Ja, es gab sogar schon Momente, in denen wir stattdessen mit dem Auto gefahren sind, weil es einfach unkomplizierter war.

Es ist auch der erste Sommer, in denen wir nicht am Ticketautomaten nach einem passenden Tagesticket für zwei suchen und nur ein überteuertes für fünf finden. Es ist der erste Sommer, in denen wir uns das Ziel aussuchen und nicht die Tarifgrenze. Und das alles ist schon ein großer Gewinn. Jetzt buche ich noch zwei ICE-Tickets nach Frankfurt. Weil ich diesmal einen entspannten Trip nicht mit nervenaufreibenden sechs Stunden Nahverkehr durch das Rheinland beginnen möchte.


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