Ich blättere in der Zeitschrift herum, die mein Freund vorhin an der Kasse noch aufs Band legte. Das haptische Gefühl und die grafische Gestaltung bei Printmedien begeistern mich immer noch. Auch wenn ich die meiste Zeit natürlich digital lese, bringen mich Worte auf Papier kurz zur Ruhe.

Keine Push-up-Benachrichtigungen nebenbei. Keine Wörter oder Sachen, die ich eben google, weil ich mehr darüber erfahren will. Keine Links, in denen ich mich verliere. Nichts lenkt ab. Und meistens sind die Beiträge sorgfältiger geschrieben als online. Rechtschreibfehler will man schließlich nicht mitdrucken. Beim Durchblättern dieser Zeitschrift springt mir ein Artikel sofort ins Auge. Auf Seite 21 steht "Perfektionismus langsam ablegen".

Will ich meinen Perfektionismus ablegen? Nicht ganz, aber es hilft in manchen Situationen nicht darauf zu beharren. In dem Artikel werden die Nachteile erwähnt, die mit so einer Einstellung verbunden sind. Und in denen ich mich sofort wiederfinde. Perfektionisten haben oft die Sorge, dass sie sich nicht eloquent ausdrücken, vielleicht sogar die passenden Worte nicht auf die Schnelle finden und deshalb gänzlich gar nichts sagen. Besonders problematisch im Alltag wird aber mein außengerichteter Perfektionismus. Das heißt, dass ich oft auch von anderen keine Fehler akzeptiere. Sei es ungerechtes Verhalten oder die falsche Ausschilderung eines Preises im Supermarkt. Jedes Mal, wenn für mich etwas nicht stimmt, rastet der Autist in mir innerlich aus. Andere verstehen oft nicht, dass es mir dabei nicht um die einzelnen Sachen geht, sondern ums große Ganze. Dass alles perfekt ist und alles seine Richtigkeit hat. Und damit sollte ich wirklich aufhören.

Die gute Eigenschaft des Perfektionisten ist, dass er sich nicht alles gefallen lässt. Wenn andere etwas ungewöhnliches stillschweigend hinnehmen, muss ich oft dafür sorgen, dass es sichtbar wird. Ich bildete mir oft ein, dass es für die Allgemeinheit sei und wenn keiner es anspricht, wird es immer so weiter gehen. Nach einigen Jahren merkte ich aber, dass es sich nie ändern wird. Menschen werden weiterhin Fehler machen. Menschliche Fehler, dumme Fehler, vermeidbare Fehler. Also beschloß ich, dass ich nur noch Sachen für mich persönlich anspreche.

Ich erinnere mich an meine letzte Dresden-Reise. Obwohl ich zwei gleiche Zimmer gebucht haben, sah eins anders aus. Es hatte statt der versprochenen Glasdusche eine veraltete Dusche, keine Minibar, der Fernseher hing unpraktisch neben dem Bett und die Liste ging ewig so weiter. An der Rezeption konnte mir niemand helfen, ich sollte am nächsten Tag noch einmal vorbeikommen. Ist mir dieser Aufwand wert oder nehme ich die Fehler einfach auf mich und genieße die zwei Nächte mit all den Unstimmigkeiten? Es fiel mir schwer und dennoch war es der richtige Schritt, es so hinzunehmen. Ich habe es immerhin einmal angesprochen. Aber ich werde nicht um jeden Preis darauf beharren, etwas zu ändern. Unregelmäßigkeiten passieren. Genau wie Tippfehler. Das sollte mir nicht sofort meinen ganzen Tag vermiesen.